Kunstbestand der Stiftung Mecklenburg

Karl Lorenz Rettich, Waldlandschaft
Karl Lorenz Rettich, Waldlandschaft

Zum Kunstbestand der Stiftung gehören u.a. Werke von Carl Malchin, Karl Lorenz Rettich, Franz Bunke, Paul Müller-Kaempff und Friedrich Wachenhusen. Sie vertreten die erste Generation jener Künstler, die der um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommenen Bewegung der Freilichtmalerei folgten.

In ganz Europa entstanden damals Künstlerkolonien in Gegenden, die von der industriellen Entwicklung noch wenig berührt waren. In Mecklenburg hielt die Freilichtmalerei von Weimar und Berlin aus Einzug. Hier entstanden die Künstlerkolonien Schwaan und Ahrenshoop, letztere schon in Pommern, gleich hinter der Grenze auf dem Fischland gelegen, aber nach Mecklenburg ausstrahlend.

Der erste Maler, der die Dörfer des Fischlands entdeckte, war der Schweriner Carl Malchin, über vier Jahrzehnte Chefkonservator der Großherzoglichen Gemäldesammlung. Sein Sinn für die Wirklichkeit, seine eingehende Kenntnis der Landschaft und Lebensweise seiner Heimat, die Symphatie für das unprätentiöse Tagewerk ihrer Bewohner und, nicht zuletzt, sein hohes malerisches Können ließen Bilder von bleibender Überzeugungskraft entstehen.

In Ahrenshoop wirkte der aus Oldenburg stammende Paul Müller-Kaempff. 1892 baute dieser in dem abgelegenen Fischerdorf ein Atelierhaus und gründete drei Jahre später mit dem Schweriner Friedrich Wachenhusen die Malschule St. Lukas, heute ein modernes Künstlerhaus. Dort wurden v.a. Frauen unterrichtet. Professionelle Malerinnen bestimmten das Niveau gerade der Ahrenshooper Malerei wesentlich, auch wenn die Sammlung der Stiftung Mecklenburg diesen Aspekt nicht zeigen kann.

In Schwaan wurde der hier geborene Franz Bunke zum Initiator der Künstlerkolonie. Wie Malchin hatte er in Weimar studiert und übernahm noch in jungen Jahren ein Lehramt an der dortigen Akademie. Häufig weilte er sommers mit seinen Schülern im heimatlichen Schwaan. Wilhelm Facklam – die Stiftung Mecklenburg besitzt ein umfangreiches Konvolut dieses Künstlers – gehörte dazu. Bunkes Werke geben die Landschaft der Gegend in natürlichem Licht wieder, in einer meisterhaften, äußerst subtilen Malerei. Viele der damals in Mecklenburg arbeitenden Künstlerinnen und Künstler unterhielten enge Beziehungen zu den akademischen Zentren, zu Weimar und v.a. zu Berlin mit seinen lukrativen Ausstellungsmöglichkeiten.

Umgekehrt kamen Berliner Künstler häufig nach Mecklenburg, wie Eugen Bracht. Er kam mit seinem Schüler Hans Licht und eröffnete in Burg Stargard eine Malschule: Dort wurde Marie Hager seine wichtigste Schülerin. Helene Dolberg, die ebenfalls bei Bracht malte, nahm in den 20er Jahren in Rostock schon die jüngere Avantgarde zur Kenntnis: Ihre Arbeiten zeigen modernere Einflüsse des Jugendstils und Expressionismus.

Mit dem Ersten Weltkrieg hatten sich die Künstlerkolonien in ihrer ursprünglichen Form aufgelöst und andere Formen künstlerischer Zusammenarbeit wurden wichtig. So die Vereinigung Rostocker Künstler: Sie wirkte in den 20er und frühen 30er Jahren ausgesprochen progressiv. Egon Tschirch und Thuro Balzer gehörten dazu.

Der aus Gnoien gebürtige Erich Wegner ging nach einer Lehrzeit am Rostocker Theater 1919 zum Studium nach Hannover und wurde dort ein wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit.

1945 wird eine schwarz verschattete Düne ihm zur Metapher für die wundübersäte Heimat. Obwohl in dieser Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg expressive Farben in Wegners Arbeit zurückkehren, wirkt diese – ein Blumenstrauß zeigt es – doch umso mehr aufgewühlt und zerrissen.

Karl Christian Klasen, Fabrikgebäude am See
Karl Christian Klasen, Fabrikgebäude am See

Der zwölf Jahre jüngere Karl Christian Klasen hat anders als Wegner den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt. Seine Schulzeit verbrachte Klasen im Güstrow Ernst Barlachs, der Barlach-Freund Friedrich Schult förderte den Begabten.

Vier Jahrzehnte Lebenszeit trennten Klasen und Barlach: Hatte dieser seine Jugend in einer wirtschaftlich noch stabilen Friedensperiode verbracht, in die der Erste Weltkrieg scheinbar wie ein Naturereignis einbrach, so hatte Klasen Kriegsfolgen und Kriegsgefahr erlebt. Seit 1933 auf Poel ansässig, wo das Inselmuseum heute den umfangreichen Klasen-Bestand der Stiftung Mecklenburg pflegt, suchte er das Erlebnis der Stille in der dortigen Landschaft.

Tisa v. d. Schulenburg, Konzentrationslager
Tisa v. d. Schulenburg, Konzentrationslager

Als der Zweite Weltkrieg auch in Mecklenburg gewütet hatte, fanden Künstler die Kraft, das unsägliche Ausmaß der Zerstörung zu dokumentieren. An Thuro Balzer erging ein diesbezüglicher Auftrag der Stadt Rostock: Man wollte die Brisanz des Geschehens festhalten und festgehalten wissen. Die Arbeiten Balzers sprechen für sich, besonders im Kontrast zu jenen Ansichten der friedvollen mecklenburgischen Landschaft ein halbes Jahrhundert vorher.

Im Kunstbestand der Stiftung sind Werke gebürtiger Mecklenburger vertreten, die nach 1945 außerhalb ihres heimatlichen Landstrichs wirkten, weil die politischen Verhältnisse in der DDR ihrem Lebens- und Schaffensbedürfnis nicht gemäß sein konnten. So Tisa von der Schulenburg, Schwester Fritz Dietlofs von der Schulenburg, der als Mitglied der Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 hingerichtet worden war. Ihre grafischen Blätter zur menschlichen Not im Nationalsozialismus sind eine späte Erinnerung an das in jungen Jahren in der Heimat Erlebte.

 

Katrin Arrieta